Abrechnung mit Angela Merkel – ‚Merkiavelli‘

Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie verboten.

— Kurt Tucholsky

Abrechnung mit Angela Merkel – ‚Merkiavelli‘

„Merkels Durchhaltevermögen, ihre Dominanz, ihr überragendes Selbsterhaltungstalent mögen ihr gut getan haben, sie hinterlässt ihre Partei, ihr Land und Europa in einem geschwächten Zustand. Merkel ist in erster Linie eine Opportunistin. Sie ist eine Politikerin, die mit der Zeit gegangen ist, die ihre Konkurrenten innerhalb und außerhalb ihrer Partei geschickt ausmanövriert hat. Merkiavelli“ hat sie der verstorbene Soziologe Ulrich Beck genannt. Sie ist eine politische Verwandlungskünstlerin. Was die Wirtschaft betrifft, so begann Merkel ihre Kanzlerschaft als finanzpolitische Falschspielerin und hielt die meiste Zeit ihrer Amtszeit die Fäden im Haushalt fest in der Hand. Bei ihrem Ausscheiden aus dem Amt hat sie einige der großzügigsten Pandemieausgaben der Welt genehmigt. In kulturellen Fragen war sie mal sozialkonservativ und lehnte die Homo-Ehe ab, mal war sie hyperliberal und öffnete die deutschen Grenzen für eine Million Flüchtlinge. Merkel hat keine Ideologie, die über das hinausgeht, was für Merkel funktioniert…. Merkel hat die Partei zu einer ausgehöhlten Schale gemacht…. Unter Merkels Pfennigfuchserei hat es der deutsche Staat versäumt, angemessen in die Infrastruktur zu investieren, und viele seiner größeren Bauprojekte wurden von Verzögerungen, Kostenüberschreitungen und Korruption geplagt….. Noch schlimmer war das Versäumnis, Deutschlands digitale Infrastruktur zu verbessern – Deutschland hat mit die langsamsten Internetgeschwindigkeiten in der entwickelten Welt und die schlechteste 4G-Abdeckung in Europa…. Die Schockwellen von Merkels Flüchtlingspolitik hallten auch in Europa nach. Die Grenzen sind nun wieder geöffnet und werden stärker bewacht als je zuvor. Wenn Merkel aus dem Amt scheidet, hat die EU – oder die „Festung Europa“, wie sie manchmal genannt wird – einige der am stärksten militarisierten Grenzen der Welt.

Während Merkel sich innenpolitisch durchwurschtelte, spielte sie auf der europäischen Bühne eine wahrhaft zerstörerische Rolle. Ja, sie hat geholfen, den Euro nach der Schuldenkrise zu „retten“. Aber zu welchem Preis? Deutschland bestand – zusammen mit der „Troika“ aus IWF, EU und EZB – darauf, dass die einzige Lösung für die Krise in brutalen, strafenden Sparmaßnahmen bestand. Die Beschäftigung im öffentlichen Sektor wurde um 30 Prozent gekürzt. Auf dem Höhepunkt der Krise verlor Griechenland mehr als ein Viertel seines gesamten BIP. Die Arbeitslosigkeit stieg um 16 Prozentpunkte und die Jugendarbeitslosigkeit erreichte einen Höchststand von rund 56 Prozent. Italien wurde nach Griechenland am zweitstärksten in Mitleidenschaft gezogen. In keinem der beiden Länder hat das BIP jemals wieder das Vorkrisenniveau erreicht. Der Euro wurde gerettet, aber nicht Europa….. Doch gegen Ende von Merkels Amtszeit geriet diese strikte Haushaltsdisziplin ins Hintertreffen – zumindest in Deutschland. Als Reaktion auf die Pandemie drehte Merkels Regierung verständlicherweise den Ausgabehahn auf, um die Anforderungen eines noch nie dagewesenen wirtschaftlichen Schocks zu erfüllen. Bislang hat Deutschland über 1 Billion Euro ausgegeben, um die Wirtschaft während der Covid-Krise über Wasser zu halten – fast doppelt so viel wie Großbritannien. Das „deutsche Modell“ der fiskalischen Regeln, das zur Bewältigung der Eurokrise als so notwendig erachtet wurde, wurde schnell ad acta gelegt, als Deutschland von einer schweren Wirtschaftskrise getroffen wurde. Austerität für dich, aber nicht für mich.

Der „Mythos“ von Angela Merkel ist, dass sie Deutschland und Europa Reife und Stabilität gebracht hat. Ihre Verteidiger würden ihren Mangel an Leitprinzipien als Pragmatismus bezeichnen. Aber in Wirklichkeit ist es Opportunismus. Sie ist den Meinungsumfragen hinterhergelaufen und hat ihren Kurs entsprechend geändert. Und bei vielen Gelegenheiten hat Merkel regelrecht der Panik nachgegeben – wie die Denuklearisierungspolitik am besten zeigt.

Die Hohlheit von Merkel ist keine Tugend. Ihr Mangel an Prinzipien, ihr Mangel an einer Agenda, hat Deutschland unvorbereitet für viele der großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.

Fraser Myers (1.10.2021)

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