Mittelstandskapitalismus

Der Kluge lernt aus allem und von jedem, der Normale aus seinen Erfahrungen und der Dumme weiß alles besser.

— Sokrates

Mittelstandskapitalismus

Der Mittelstandskapitalismus

Immer wieder wird „Der Kapitalismus“ als Urheber unseres Malheurs verdammt. Hier verwechselt man den Kapitalismus mit seiner Korruption und Entartung. Daher präge ich das Wort „Mittelstandskapitalismus“ – auf Englisch „small-scale capitalism“ – also Kapitalismus im menschlichen Maßstab. Dies wäre Gegenpol zum Kommunismus und Planwirtschaft, aber eben auch jeglicher Oligarchie entgegengesetzt.

Die Kritiker des Kapitalismus müssten erklären, wie denn sonst die Wirtschaft erfolgreich zu gestalten wäre. Sind sie auch etwa gegen jegliche Marktwirtschaft? Es ist unbestritten, dass nicht alles über den Markt geregelt werden kann. Es ist gleichfalls unbestreitbar, dass der Gewinn einer wirtschaftlicher Unternehmung verschiedentlich genutzt werden kann.

Es wird meist unterschwellig angenommen, dass der Gewinn neu investiert werden muss, als ob dies ein Naturgesetz wäre. Diese Idee stammt von Karl Marx, und er hat nicht ganz unrecht, wie sich heute anhand der Konzentration des Kapitals in wenigen Händen verdeutlicht.

Eine derartige Anhäufung des Kapitals muss aber nicht geschehen oder zugelassen sein. Beim „Kapitalismus“ handelt es sich vielmehr um eine Rechnungslegung über Besitz und über Ansprüche, die vom Besitz abgeleitet werden. Auf der einen Seite einer Bilanz steht der Geldwert von Werkzeugen, Maschinen, Vorräten usw. (Aktiva). Auf der anderen Seite stehen die Geldsummen (Passiva), mit denen die Vermögensgegenstände erworben wurden oder werden. Diese Geldsummen sind unterteilt in Eigenkapital, Schulden und Gewinne. Ein eventueller Überschuss muss keineswegs neu investiert werden. Er kann auch verausgabt werden. Dazu bietet eine Marktwirtschaft vielfältige Möglichkeiten.

Wenn aber zugelassen wird, dass diese Möglichkeiten auch die Ausübung von Macht und insbesondere von politischer Macht mit einschließen, so handelt es sich nicht mehr um Kapitalismus, sondern um Korruption, denn damit wird die Gewaltenteilung untergraben. Es findet ein Versagen der demokratischen Verfassung statt, oder auch der Notbremse, die den Kern der Demokratie ausmacht.

Man kann dies alles anders formulieren. Die Kritiker oder Gegner des Kapitalismus gehen pauschal vor und definieren nicht, was sie unter „Kapitalismus“ verstehen. Es gibt mehrere gesellschaftspolitische Gestaltungen, die gemeinhin unter dem Decknamen „Kapitalismus“ operieren. Die Kritik trifft auf einige zu, aber nicht alle, und erst recht nicht auf alle denkbare Gestaltungen. Eine Zivilisation ist erfinderisch, kann sich erneuern, und somit können sich neue Formen des marktnahen Wirtschaftens etablieren. Die Voraussetzung ist, dass diese Formen die Unterschiedlichkeit der Menschen und deren Gesinnungen berücksichtigen.

Wenn schon Kritik am Kapitalismus, dann bitte konstruktive. Die Zeit ist überfällig, dass bestimmte Grundsätze der bestehenden Ordnung in Frage gestellt, neu gedacht oder gar widerrufen werden. Dazu gehören

(i) die Holdinggesellschaft; in diesem Zusammenhang die Firmenverflechtung, wie wenn Unternehmen undurchsichtig Anteile ineinander besitzen;

(ii) die juristische Person (z.B. GmbH, AG) bei Ausschaltung der persönlichen Rechenschaftslegung; wenn ein (bereits fragwürdiges) juristisches System strafrechtlich endlich greift, ist es ohnehin zu spät.

(iii) die Börse beziehungsweise deren Verfälschung durch das kurzfristiges Denken und die Fixierung auf Kennzahlen. Damit verbunden:

(iv) die bestehende Rechnungslegung, die wesentliche Merkmale eines Betriebes außer Acht lässt;

(v) reinste Spekulationsgeschäfte sowie der Wildwuchs der Derivative, dagegen:

(vi) die Einführung einer Tobin-Steuer (d.h. einer Transaktionsteuer für den Handel mit Wertpapieren).

(vii) Wer Aktien kauft, dürfte erst nach einer Schonfrist eine Wahlberechtigung in der Aktionärsversammlung erhalten.

Soweit diese Anregungen.

 

Paul Gregory

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