„In Frankreich wie in England waren aristokratische Geschlechter im Besitz der Gewalt; die einen wie die anderen genossen eine alle anderen ausschließende Berechtigung, sie besaßen dieselbe beide vermöge ihrer Religion, die einen durch ihren Katholizismus, die anderen durch ihren Protestantismus. Daber aber bestand der größte Unterschied. In Frankreich war alles Uniformität, Unterordnung und Abhängigkeit eines reich entwickelten, aber sittlich verderbten Hofwesens. In England ein gewaltiges Ringen, ein politischer Wettkampf zweier fast mit gleichen Kräften ausgerüsteter Parteien innerhalb eines bestimmten, umschriebenen Kreises. In Frankreich schlug die nicht ohne Gewalt gepflanzte Devotion nur zu bald in ihr offenes Gegenteil um. In England bildete sich eine vielleicht beschränkte, im Ganzen männlich selbstbewusste Religiosität aus, die ihre Gegensätze überwand. Jenes verblutete an den Unternehmungen eines falschen Ehrgeizes, diesem strotzten die Adern von jugendlicher Kraft. Es war, als träte der Strom der englischen Nationalkraft nun erst aus den Gebirgen, zwischen denen er sich bisher zwar tief und voll, aber enge, sein Bett gewühlt, in die Ebene hervor, um sie in stolzer Majestät zu beherrschen, Schiffe zu tragen und Weltstädte an seinen Ufern gründen zu sehen. Das Recht der Geldbewilligung, über welches bisher die meisten Streitigkeiten zwischen dem König und dem Parlament ausgebrochen, fing nun vielmehr an, sie miteinander zu verbinden. Karl II. hatte während des Vierteljahrhunderts seiner Regierung alles in allem dreiundvierzig Millionen Pfund eingenommen. Wilhelm III. empfing binnen dreizehn Jahren zweiundsiebzig Millionen Pfund, wie ungeheuer aber stiegen seitdem diese Anstrengungen! Eben darum stiegen sie, weil sie freiwillig waren, weil man sah, dass ihr Ertrag nicht dem Luxus weniger Hofleute, sondern dem allgemeinen Bedürfnis diente. Da war das Übergewicht der englischen Marine nicht lange zweifelhaft.
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Man hat gleich damals bemerkt, dass das eigentliche nationale Motiv zu dem Spanischen Erbfolgekrieg die Besorgnis war, Frankreich und Spanien vereinigt möchten den westindischen Verkehr den Engländern und Holländern wieder entreißen.
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Nichts bezeichnet mehr das Übergewicht der Engländer über die bourbonischen Mächte, als dass sie Gibraltar behaupteten. Den besten Verkehr mit den spanischen Kolonien brachten sie nunmehr sogar durch Vertrag an sich, indes die eigenen sich in ungeheurem Fortschritt ausbreiteten. Wie Batavia vor Kalkutta, so verschwand seitdem der alte maritime Glanz von Holland vor dem englischen..“
Lepold von Ranke (Die großen Mächte, 1916)