„Die Leser begannen, in den fünf Büchern Mose nicht nur politische Weisheit, sondern eine politische Verfassung zu sehen. Sie betrachteten die hebräische Bibel nicht mehr als das alte Gesetz – eine schattenhafte Andeutung der Wahrheit, die durch die neue Zeitrechnung null und nichtig geworden war -, sondern sahen sie zunehmend als eine Reihe politischer Gesetze, die Gott selbst den Israeliten als ihrem zivilen Herrscher gegeben hatte. Mose wurde nun als Gesetzgeber, als Begründer einer politeia im griechischen Sinne verstanden. Die Folgen dieser Neuausrichtung waren gravierend, denn wenn Gott selbst ein Gemeinwesen entworfen hatte, dann mussten die Ziele der Politikwissenschaft radikal neu konzipiert werden… Es wurde zum zentralen Bestreben der Politikwissenschaft, sich so weit wie möglich dem Paradigma dessen anzunähern, was europäische Autoren die respublica Hebraeorum (Republik der Hebräer) zu nennen begannen.“
Eric Nelson (Die hebräische Republik: Jüdische Quellen und die Transformation des europäischen politischen Denkens)