„Der Name Yalu hat einen üblen Klang. Dieser Fluß ist das Rubikon des 20. Jahrhunderts. Er trennt die Mandschurei, das klassische Einfallstor nach China, von Korea, dem Sprungbrett nach Japan. Nach drei Jahrhunderten ununterbrochener Niederlagen errang der Osten hier seinen ersten Sieg, als Japan im Jahre 1904 die Russen besiegte, und den zweiten, als China eine von Amerikanern angeführte Armee schlug.
Die Menschen neigen vielleicht dazu, die Bedeutung von Schlachten zu überschätzen, die zu ihren Lebzeiten ausgefochten wurden. Doch haben nur wenige Schlachten der Weltgeschichte so weittragende Folgen gehabt wie die beiden oben genannten. Nach dreihundert Jahren unbestrittener Oberherrschaft wurde der Westen zweimal vom Osten besiegt, zweimal innerhalb einer Generation. Durch den ersten Sieg wurde Japan zum Rang einer Weltmacht erhoben; mit dem zweiten widerfuhr China das gleiche. Die Niederlage des Jahres 1904 bezeichnete für Rußland den Beginn einer politischen Krise und die Links-Revolution; die Schlacht im Jahre 1950 bedeutete einen hinter den Kulissen gewonnenen Sieg Rußlands. Das gleiche Reich, das vor sechsundvierzig Jahren als Vorkämpfer Europas gegen die ‚gelbe Gefahr‘ auftrat, ist jetzt als Verbündeter Chinas der Beschützer des asiatischen Nationalismus. Und dies nämliche China, das 1940 in äußerster Apathie beiseite stand, nimmt jetzt mit überraschender Energie an der Weltpolitik teil.“
Felix Somary (Erinnerungen aus meinem Leben)