„Auf der anderen Seite haben wir dieses wilde Gefühl der Gruppenaggression und des Egoismus, das man heute gemeinhin als „Hundertprozentigkeit“ (Hundred Percentism, extreme Nationalisten) bezeichnet. Dies ist nichts anderes als eine Projektion der Psychologie des tierischen Jagdrudels und der Wildheit primitiver Stammesangehöriger auf die moderne Zivilisation. Es ist sicherlich eine der niedrigsten, brutalsten und gefährlichsten psychischen Einstellungen und Verhaltensmuster der Gegenwart. Sie ist zu einer weltweiten Bedrohung geworden, vor allem seit die Wissenschaftliche und Industrielle Revolution ihr eine technologische Grundlage für ein landesweites Vorgehen gegeben hat. Bis zur Mitte des achtzehnten Jahrhunderts konnte es kaum einen nationalen Patriotismus geben, weil die Mehrheit der Menschen nichts über ihre Nachbarschaft oder ihre lokale Gruppe hinaus kannte. Plötzlich ermöglichten das Telefon, der Telegraf, das Kabel, die Eisenbahn, die Druckerpresse, die billige Tageszeitung und die kostenlose Zustellung der Post in der Stadt und auf dem Lande die Ausbreitung des Aberglaubens, der Engstirnigkeit, des Provinzialismus und der Wildheit der Nachbarschaft über die gesamten Grenzen eines großen Nationalstaates. So kommt es, dass wir alle praktisch gleichzeitig am Frühstückstisch die Zeitung in die Hand nehmen und unseren Gruppenstolz durch die Berichte über die Taten der amerikanischen Marinesoldaten in Nicaragua oder Schanghai aufblähen oder unsere Leidenschaften durch eine angebliche Beleidigung unserer nationalen Ehre in Persien oder Timbuktu erregen lassen können. Die Bürger eines ganzen Staates können heute durch die Presse so wirksam aufgewühlt werden, wie eine Nachbarschaft vor einem Jahrhundert durch die Rückkehr eines Boten von der Schlachtfront aufgewühlt werden konnte. Die Möglichkeiten des „Films“ und des „Radios“ im Dienste des patriotischen Fanatismus übersteigen fast die Vorstellungskraft. Solange wir nicht in der Lage sind, den Patriotismus, wie er herkömmlich verstanden wird, zu entkräften und zu behindern und ihn durch das konstruktive Gefühl des Bürgerstolzes und des internationalen guten Willens zu ersetzen, besteht wenig Hoffnung, jene kooperativen Agenturen und Haltungen zu entwickeln, von denen das Programm des Weltfriedens notwendigerweise abhängt.“
Harry Elmer Barnes (1927, The Genesis of the World War, An Introduction to the Problem of War Guilt)