Bevorstehender Paradigmenwechsel, die Krise des Westens, Chancen für die Freiheit?
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Glücklicherweise gibt es einen kurzfristigeren Grund für Hoffnung, der es uns erlaubt, die schmutzige Geschichte bis zum 18. Jahrhundert als nicht länger relevant für die Zukunftsaussichten der Freiheit anzusehen (bezogen auf tausende von Jahren der Unfreiheit und Unterdrückung durch Könige, Adel, Aristokratie, Häuptlinge).
Unsere Behauptung hier lautet, dass die Geschichte einen großen Sprung machte, eine erdrutschartige Veränderung durchlief, als uns die klassischen liberalen Revolutionen in die industrielle Revolution des 18. und 19. Jahrhunderts katapultierten. In der vorindustriellen Welt, in der Welt der alten Ordnung und der bäuerlichen Wirtschaft gab es keinen Grund, warum die Herrschaft des Despotismus sich nicht unendlich, über viele Jahrhunderte fortsetzen sollte. Die Bauern erzeugten die Nahrung; die Könige, die Adligen und die feudalen Landherren eigneten sich das ganze Mehrprodukt der Bauern an, das sie nicht unmittelbar brauchten, um zu überleben und zu arbeiten. So brutal, ausbeuterisch und bedrückend der agrarische Despotismus auch war, er konnte aus zwei Hauptgründen überleben: 1) weil sich die Wirtschaft leicht erhalten ließ, wenn auch nur auf dem Subsistenzniveau, und 2) weil es die Massen nicht besser wussten, niemals ein besseres System erfahren hatten und deswegen dazu gebracht werden konnten, als Lasttiere für ihre Herren zu dienen.
Die industrielle Revolution aber stellt einen großen Übergang der Geschichte dar, weil sie irreversible Bedingungen und Erwartungen mit sich brachte. Zum ersten Mal in der Geschichte schuf die industrielle Revolution eine Gesellschaft, in der sich der Lebensstandard der Massen über das Subsistenzniveau und zu vorher beispiellosen Höhen erhob. Die Bevölkerungszahl im Westen, die vorher stagnierte, vermehrte sich bei den nun enorm gewachsenen Möglichkeiten für Beschäftigung und ein gutes Leben stark. Die Uhr lässt sich nicht ins vorindustrielle Zeitalter zurückdrehen. Die Massen würden nicht erlauben, dass ihre Erwartungen in einen steigenden Lebensstandard so drastisch enttäuscht werden würden, vor allem aber würde die Rückkehr in eine agrarische Welt Hunger und Tod für die Mehrheit der gegenwärtigen Bevölkerung bedeuten. Wir stecken in dem industriellen Zeitalter, ob uns das gefällt oder nicht. Wenn das aber wahr ist, dann steht es gut um die Sache der Freiheit. Denn die Wirtschaftswissenschaft hat gezeigt, dass bloß Freiheit und freier Markt die Grundlage einer industriellen Wirtschaft sein können. Kurz gesagt, während eine freie Wirtschaft und eine freie Gesellschaft in vorindustrieller Welt bloß wünschenswert und gerecht wären, sind sie in einer industriellen Welt lebensnotwendig. Wie Ludwig von Mises und andere Ökonomen gezeigt haben, funktioniert Etatismus in einer industriellen Welt einfacht nicht. Wenn wir einen vollständigen Übergang zur industriellen Welt voraussetzen, dann wird schließlich klar, dass die Welt Freiheit und den freien Markt braucht, um die Industrie am Leben zu erhalten und ihr Wachstum zu ermöglichen.
Es war diese Einsicht, die Herbert Spencer und andere Libertäre des 19. Jahrhunderts zu ihrer Unterscheidung zwischen der ‚militärischen‘ und der ‚industriellen‘ Gesellschaft führte, zwischen einer Gesellschaft des ‚Status‘ und einer des ‚Vertrages‘. Im 20. Jahrhundert zeigte uns Mises, dass a) jede etatistische Intervention den Markt verzerrt und lähmt und dass b) der Sozialismus desaströs ist; er könne eine industrielle Wirtschaft nicht planen, da ihm die Anreize von Gewinn und Verlust sowie ein richtiges Preissystem und Eigentumsrechte an Kapital, Land und anderen Produktionsmitteln fehlen. Mises sagte voraus, dass weder der Sozialismus noch die verschiedenen Zwischenformen des Etatismus und Interventionismus lebensfähig seien. Nach einem allgemeinen Übergang zu einer industriellen Wirtschaft müssen diese Formen des Etatismus abgelegt und durch Freiheit und freie Märkte ersetzt werden.
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(Inzwischen gab es jedoch einen Niedergang des Liberalismus und die Geburt neuer despotischer Formen; Sozialismus, Kommunismus…, die sich jedoch als katastrophale Irrwege herausstellen)
Katastrophale Effekte des Etatismus müssen wir nicht mehr voraussagen, denn sie sind schon überall eingetreten…
Über lange Zeit konnte die etatistische Intervention die Verwüstungen durch Planung, Kontrollen, hohe und lähmende Besteuerung und durch die vom Papiergeld bewirkte Inflation zu vertuschen suchen, ohne dass dies zu klar hervortretenden Fehlverteilungen und Krisen führte. Das lag aber daran, dass die Wirtschaft aufgrund ihrer Industrialisierung ein dickes ‚Fettpolster‘ gegen derartige Verwüstungen angesetzt hatte. Der Staat konnte die Steuern und die Beschränkungen einführen und Inflationen erzeugen und erntete damit trotzdem keine schnellen und offenkundig schlechten Effekte.
Aber jetzt ist der Etatismus so weit fortgeschritten und so lange an der Macht, dass das Polster dünn geworden ist. Wie Mises schon in den 1940er Jahren voraussagte, ist der ‚Reservefonds‘, den die Zeit des laissez-faire geschaffen hatte, aufgebraucht. Jetzt bringt alles, was der Staat tut, sofort negative Reaktionen mit sich, ungesunde Effekte, die für alle augenfällig sind, sogar für die leidenschaftlichsten Anhänger des Etatismus. In den kommunistischen Ländern Osteuropas und jetzt in China habe die Kommunisten selber zunehmend begriffen, dass die sozialistische zentrale Planung in einer industriellen Wirtschaft einfach nicht funktioniert…
Tatsächlich können wir zuverlässig sagen, dass die USA jetzt in eine permanente Krisensituation eingetreten sind, und dass wir sogar die Jahre des Ursprungs dieser Krise genau bestimmen können: die Jahre 1973 bis 1975. Glücklicherweise für die Sache der Freiheit hat nicht nur eine Krise des Etatismus die USA erfasst, sondern diese erstreckt sich außerdem auf die ganze Gesellschaft, über viele Bereiche des Lebens zur gleichen Zeit. Damit haben diese Zusammenbrüche des Etatismus synergetische Effekte und verstärken sich gegenseitig…
Schließlich können diese Krisen nur überwunden werden, indem der Staat verdrängt wird. Was wir brauchen, sind Libertäre, die den Weg weisen.“
Murray Rothbard