„Durchlauferhitzer für Wegwerfmillionen“

Manchmal frage ich mich, ob die Welt von klugen Menschen regiert wird, die uns zum Narren halten, oder von Schwachköpfen, die es ernst meinen.

— Mark Twain

„Durchlauferhitzer für Wegwerfmillionen“

Sittengemälde der Warentermin-Szene (WT-Szene)
Übelstes Beispiel der jüngeren Vergangenheit: Die Phoenix Kapitaldienst GmbH aus Frankfurt am Main

Die WT-Szene in Deutschland geht auf Firmen wie die Zollern Warentermindienst GmbH zurück, aus der viele der WT-ler wie Heinz Piroth, Dieter Breitkreuz u.v.a.m. entsprungen sind. Das betrügerische Warentermingeschäft wurde anfangs von dem Amerikaner Gerard von Brynke nach Deutschland gebracht. Viele der Telefonverkäufer hatten ihr Handwerk bei der IOS (Investors Overseas Services) des Bernie Cornfeld gelernt, bei der viele Deutsche Geld verloren hatten.

Warentermingeschäfte sind im Börsenbereich für gierige Berater insofern besonders interessant, weil in diesem Bereich schon branchenüblich die Spesen bezogen auf das eingesetzte Kapital um ein Vielfaches höher sind als beim Aktien- oder Rentenhandel. Das liegt daran, dass bei Termingeschäften mit einem „Hebel“ gehandelt wird – und auch die Spesen in ähnlicher Form „gehebelt“ werden. Es ist durchaus üblich, dass für die Abwicklung eines Terminkontraktes („round-turn“ = Kauf und Verkauf, oder Verkauf und Rückkauf) 50 Euro und mehr abgerechnet werden, bezogen auf den Einsatz (die zu hinterlegende Sicherheitsmarge; „margin“) können das selbst bei seriösen Anbietern mehrere Prozent sein.
Bei Optionen können die Spesen auch leicht mehrere Prozent bezogen auf den Wert des Optionskontraktes ausmachen.
Ein kommissionsabhängig bezahlter Berater verdient somit bei gleichem Kapital der Kunden bei Termingeschäften ein Vielfaches gegenüber anderen Börsengeschäften.
Für spekulativ veranlagte Kunden liegt der Reiz bei Termingeschäften darin, dass man bei hohem Risiko mit kleinen Beträgen theoretisch grosse Gewinne machen kann.

Die Verkäufer bei den WT-Firmen sind in der Regel branchenfremd, das heisst haben in der Regel überhaupt keine Ahnung von Börsengeschäften, sind aber skrupel- und hemmungslos, oftmals auch schon vorbestraft. Einer, HH Piroth, fuhr, bevor er seine steile Warenterminkarriere machte, hauptberuflich Abschleppwagen. Dem potentiellen Kunden wird mit falschen Versprechungen und Tricks etwas aufgeschwätzt. Die Kunden werden durch häufige Anrufe massiv bedrängt, verbotenes Cold Calling ist an der Tagesordnung: die potentiellen Kunden werden in Telefonbüchern „identifiziert“.
Durch das viele Geld, dass die Berater verdienen, werden diese Leute noch weiter verdorben. Das Geld wird in teure Autos, Uhren etc. investiert, die Ansprüche steigen, Leasingverträge müssen bezahlt werden. Um das teure Leben zu finanzieren, müssen immer neue Kunden gefunden und abgezockt werden. Häufige Drogen- und Alkoholexzesse lassen die ohnehin niedrigen Moralbegriffe noch weiter verkommen.
Gier frisst Gehirn – dies gilt sowohl für die Kunden als auch die Berater.
Die wenigsten Berater behalten von ihrer „Beute“ am Ende etwas übrig. Ihren Weg zum eigenen finanziellen Ruin pflastern die Leichen von geschädigten Kunden.
Nach den ersten Verlusten, versuchen viele Kunden, das verlorene Geld wiederzuholen – und verlieren noch mehr.
Sie werfen gutes Geld schlechtem hinterher.
Oftmals zocken die Kunden mit Schwarzgeld, können dann zum einen nur schlecht gerichtlich vorgehen und machen sich umgekehrt sogar noch erpressbar. Auch wenn die Staatsanwaltschaft die Geschäfte der Warenterminbetrüger und den eingetretenen Schaden überprüft, kann es für Schwarzgeldkunden noch zu einer zusätzlichen unerfreulichen Überraschung kommen.

Ziel der WT-Leute ist es immer, einen möglichst grossen Teil der Kundengelder in eigene Commissions umzuwandeln. Das geschieht zum einen durch überhöhte, oftmals sittenwidrige Gebühren (oft über 50%), zum anderen durch häufige Umschichtungen (Churning). Als die „Könige“ gelten diejenigen, die es schaffen, aus 100 Euro Kundengeld (durch selten vorkommende Gewinntrades) mehr als 100 Euro Provisionen rauszuschinden.

Da bei Optionen und Futures naturgemäss die meisten Kunden Geld verlieren (über 90% aller Optionen laufen wertlos aus), sind einige der besonders kriminell veranlagten WT-Händler bzw. Firmenchefs dazu übergegangen, das Geld der Kunden erst gar nicht mehr zu investieren und gleich betrügerisch „einzustecken“, zu veruntreuen. Probleme gab es dann allerdings in den wenigen Fällen, in denen sich die Optionswerte der Kunden verfielfachten. So oder so schauen die Kunden fast immer in die Röhre.

Nachdem (u.a. Thema Churning) die Warentermingeschäfte mehr reguliert wurden, verlegten sich viele Akteure auf den noch immer weitgehend unregulierten FOREX-Handel oder den undurchsichtigen Handel mit Diamanten; eines blieb gleich: die Kunden verloren weiterhin ihr Geld.
Bei FOREX ist für einen Endkunden fast nicht feststellbar, wie viel verdeckte Provisionen in die Kurse eingerechnet wurden – paradiesische Umstände für Betrüger und Leute mit schlechten Absichten.

Wenn es um verdeckte Spesen geht, arbeitet aber nicht nur die Warenterminszene unseriös. Viele Banken berechnen ihren Kunden bei Anleihegeschäften hohe, in den Abrechnungskursen versteckte Provisionen (sogenannte „Nettoabrechnungen“): der Eigenhandel der Banken macht dann ein gutes Geschäft.
Kriminell wird das – und das kommt öfter vor als gedacht – wenn die Banken ihren Kunden zusätzlich zu den in den Kursen eingerechneten Spesen noch Kommissionen in Rechnung stellen. Eine solche Doppelbelastung stellt einen Betrug dar.

Opener – macht den ersten Kontakt mit dem Kunden
Loader – macht den ersten Abschluss mit dem Kunden
Re-Loader – der Akquisiteur, der bei einem Kunden, der sein erstes Geld verloren hat, frisches Geld holt
Round-Turn-Commission – Gebühren für Öffnen und Schliessen einer Position
Half-Turn-Commission – Gebühren für das Öffnen oder Schliessen einer Position
Margin – zu hinterlegende Sicherheitsleistung für einen Warenterminkontrakt oder eine leerverkaufte Option
Introducing Broker – der „Vermittler“, die WT-Firma, die die Kunden zu einem kontoführenden Brokerhaus vermittelt (wie z.B. MAN)
Equity-Run – tägliche Liste des kontoführenden Brokers mit allen Positionen aller Kunden und allen Margin-Requirements
Optionsprämie – Preis einer Option (ist zu multiplizieren mit der Kontraktgrösse, dann erhält man den Kontraktwert)
Plattmachen – wenn ein Kunde bewusst vollends finanziell ruiniert wird, damit ihm möglichst auch noch das Geld fehlt, gerichtlich gegen die Betrüger vorzugehen

Übelstes Beispiel der jüngeren Vergangenheit: Die Phoenix Kapitaldienst GmbH aus Frankfurt am Main.

Nicht viel anders geht es bei vielen Fondsprodukten und Zertifikaten vor, die mit Gebühren überfrachtet werden und bei dem die Anleger froh sein können, wenn sie nach vielen Jahren ihren Einstand zurückerhalten.

Viele Produktanbieter und ihre Vertriebe sind auf das schnelle Geld aus und haben nicht den langen Atem, den Kunden vernünftige Produkte mit einer anständigen Vergütungsstruktur anzubieten.

Ein recht übles Beispiel aus der „Dachfondsszene“ ist der Fonds FI Fund Stop & Go Professional, ISIN LU0326969457.
Initiator des Fonds war die Firma Finanzoptimierung.de, heute firmierend unter
The Engineers of Finance AG. Die Verwaltungsgesellschaft ist die Luxemburger IP Concept SA des Herrn Rummler.
Der Fonds wurde im Verkaufsprospekt als “konservativ” eingestuft.
“Konservativ” passt u.E. aber so gar nicht mit einem Verlust von mehr als der Hälfte des Kapitals der Anleger zusammen – noch dazu in einem positiven Marktumfeld.

Die Fakten:
Kosten einschliesslich Zielfonds in den 12 Monaten 2013: 9,22% (neun 22/100)
Auflegung, Kurs 50, 11. Dezember 2007
Liquidation, Kurs 24,28, 31. März 2014
Verlust über 50%
Einstufung als „konservativ“ im Verkaufsprospekt.
Einstufung Risikostufe „6“ (von7) in den „Wesentlichen Anlegerinformationen“ ab 2011
Durchschnittliches Fondsvolumen über die Gesamtzeit circa Euro 6.124.872,05

Die Spesen, die dem Fonds von der IP Concept S.A. des Herrn Rummler belastet wurden – in manchen Jahren mehr als 9% – , sind unseres Erachtens skandalös.
Bei Spesen, die höher liegen als die realistische Renditeerwartung, ist ein Anleger chancenlos.

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