Von UDO RETTBERG
Er hatte es als Bundestrainer in der aktuellen Zeit der Moderne – der totalen Online-Kommunikation und Digitalisierung – wohl so schwer wie keiner seiner Vorgänger. Joachim– hatte in den vergangenen Jahren schwer gegen „das Fußballvolk“ zu kämpfen. Denn Löw musste sich immer wieder der Kritik von rund 80 Millionen Bundestrainer(inne)n stellen. Löw wurde wegen seiner „glatten Auftritte als Werbemagnet und Influencer“ in der Öffentlichkeit meist nur noch als „Jogi“ bezeichnet.
Jetzt wirft Jogi das Handtuch. So ist es in Deutschland nun einmal: Fußball ist hierzulande letztlich „der Sport“ schlechthin. Schließlich hat Deutschland – auch wenn es länger her ist – vier WM-Titel und drei Europameister-Titel gewonnen. Seit Jahren allerdings hat das Team enttäuscht. Die Aussichten auf weitere Titel hatten sich zuletzt wohl auch deshalb eingetrübt, weil das Trainer-Team einige Fehler gemacht hat. Auch deshalb, hat es der Jogi wohl satt; sich gegen jene zur Wehr setzen zu sollen oder zu müssen, die vom Fußball-ABC aus seiner Sicht wesentlich weniger verstehen als er selbst. Löw, der schöne Schwarzhaarige, ist in Schönau/Schwarzwald geboren. Seine Nähe zu Freiburg ist bekannt und drückt sich nicht nur in der bewusst langsamen heimatgeprägten Sprache, dem Black-Forest-Slang, aus.
„Der Jogi“ war sich inzwischen nach harscher Kritik der Öffentlichkeit wohl bewusst, dass seine Tage als Nachfolger von Herberger, Schön, Derwall, Beckenbauer, Vogts, Ribbeck & Co. gezählt sind. Er ist wohl gerade auch deshalb mit seiner Entscheidung nach vorne geprescht. So ist er einer offiziellen Entlassung durch den DFB wohl zuvorgekommen. Vieles spricht dafür, dass ihn Fritz Keller – der ihm aus gemeinsamen vergangenen Freiburger Zeiten sehr wohlgesonnen war – in seiner Eigenschaft als DFB-Präsident zuletzt doch den Rat des Rücktritts gegeben haben dürfte. Löw war als aktiver Fußballer, Keller als Vereinsvorsitzender für den SC Freiburg tätig. Es liegt nahe, dass Keller in der Beziehung zu Löw zuletzt als „Ratgeber“ aktiv war. Dadurch hatte Löw wohl die Chance, sein Gesicht zu wahren.
Dass Löws Rücktritt nach der EM auch finanzielle Aspekte hat, steht außer Frage; denn der DFB ist mit mehr als 7 Mio. Mitgliedern der größte nationale Sport-Fachverband auf dem Planeten Erde. Dass die „Geldmaschine“ Fußball großen Reiz auf verschiedene Akteure auf unterschiedlichen Ebenen ausübt, ist hinlänglich bekannt. Der am 28. Januar 1900 in Leipzig gegründete DFB gilt wegen der Bedeutung, die dem Fußballsport in Deutschland beigemessen wird, als einer der reichsten Sportorganisationen der Welt.
Es verwundert daher nicht, dass ausbleibende Erfolge des DFB-Teams (vor allem der Männer) auch wegen der damit verbundenen finanzielle Risiken kritisch beäugt werden. Das war nicht zuletzt nach den letzten multinationalen Wettbewerben (EM, WM) zu erkennen, als sich breite Enttäuschung auf verschiedenen Fußball-Ebenen Bahn brach. Das Versagen „der Mannschaft“ reichte in der Folge dann weit in den Amateurbereich und in den Jugend-Bereich hinab. Fußball verlor in Deutschland an Bedeutung, als „die Mannschaft“ bei den letzten Events arg enttäuschte. Klar, dass dem Trainer Joachim Löw dabei sehr viel Mitschuld zugeschrieben wurde.
Jetzt soll alles besser werden. Es kommt dabei allerdings nicht nur auf die Kicker, sondern auch auf Löws Nachfolger an. Und so verwundert es nicht, wenn die wichtigste Frage in der Öffentlichkeit nicht mehr länger in Richtung Corona-Pandemie geht, sondern sich die Diskussionen der Öffentlichkeit auf Trainer-Namen wie Klopp, Flick fokussiert. Alle Kandidaten sollten indes wissen: Es kommt nicht nur allein auf das Spiel und die Spieler an. Denn aus Fußball-Sport ist längst Fußball-Business geworden. Geld diktiert die Welt – auch im Fußball.