„Die veränderlichen Meinungen der Massen sind heute zahlreicher als je zuvor, und zwar aus drei verschiedenen Gründen.
Der erste ist, dass die alten Überzeugungen immer mehr an Einfluss verlieren und die flüchtigen Meinungen des Augenblicks nicht mehr so prägen wie früher. Die Schwächung der allgemeinen Überzeugungen macht den Weg frei für eine Vielzahl zufälliger Meinungen, die weder eine Vergangenheit noch eine Zukunft haben.
Der zweite Grund ist, dass die Macht der Massen zunimmt und diese Macht immer weniger ausgeglichen wird, so dass die extreme Mobilität der Ideen, die wir als eine Besonderheit der Massen gesehen haben, sich ungehindert entfalten kann.
Der dritte Grund schließlich ist die jüngste Entwicklung der Zeitungspresse, durch deren Vermittlung die gegensätzlichsten Meinungen ständig vor die Augen der Menge gebracht werden. Die Anregungen, die sich aus jeder einzelnen Meinung ergeben könnten, werden bald durch Anregungen entgegengesetzten Charakters zerstört. Die Folge davon ist, dass keine Meinung sich durchsetzen kann und dass alle Meinungen nur kurzlebig sind. Heutzutage stirbt eine Meinung aus, bevor sie eine ausreichend breite Akzeptanz gefunden hat, um allgemein zu werden.“
Gustave Le Bon